Hyperspektrale Soft-Sensorik für das Monitoring im Weinbau – Maschinelles Lernen für die Praxis

Der Weinanbau ist ein Wirtschaftszweig von globaler Bedeutung mit hohen Ansprüchen an die Erzeugerqualität. Mittels eines durchgehenden digitalen und durch Sensoren unterstützten Monitorings soll frühzeitig auf Risiken reagiert werden. Die Anforderungen an solch ein Monitoringsystem unterscheiden sich erheblich je nach Anbauregion. Notwendig sind hier Machine-Learning-Technologien, die sich schnell und effektiv an konkrete Aufgabenstellungen anpassen lassen.

Lesezeit:2 Min

Digitale Technologien in der Landwirtschaft revolutionieren den Pflanzenanbau. Eine bedeutende Rolle spielt dabei innovative Sensorik, die den Ernährungs- und Gesundheitszustand der Pflanzen unter Feldbedingungen und ggf. großflächig aus der Luft unter bestimmten Wachstumsbedingungen (sog. Pflanzenstress) ermitteln kann. Eine bedarfsgerechte, teilflächenspezifische Bewirtschaftung im Hinblick auf Betriebsmittel wie Nährstoffe und Bewässerung wird dadurch genauso ermöglicht, wie die zielgerichtete Reaktion auf Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall.

Dabei können die Anforderungen abhängig von der Anbauregion sein. Während im deutschen Weinbau der Wunsch nach Früherkennung von durch Pilze und Viren hervorgerufenen Krankheiten dominiert, ist der australische Weinbau vor allem durch die Sorge um eine optimale Wasserversorgung und Problemen durch Hitze- und Salzstress gekennzeichnet. Erschwerend kommt hinzu, dass sich z.B. in Europa, bedingt durch die klimatischen Veränderungen, inzwischen Pflanzenkrankheiten in Regionen ausbreiten, in denen sie bisher nicht aufgetreten sind. Diese Umstände stellen neue Herausforderungen an die schnelle Adaption vorhandener Monitoringsysteme oder erfordern eine komplette Neuentwicklung.

Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz für eine smarte Landwirtschaft

Das Fraunhofer IFF setzt bei der Entwicklung von Monitoring- und Sensorsystemen für landwirtschaftliche Anwendungen auf die Integration von spektraler Messtechnik und angepasster KI-basierter Datenauswertung zu sogenannten Softsensoren. Dieser Ansatz bietet eine systematische und auf verschiedene Fragestellungen gleichermaßen anwendbare Herangehensweise. Aufgrund des Einsatzes von optischer Messtechnik kann eine nicht-invasive Messung des Pflanzenstoffwechsels erreicht werden. Die erhobenen spektralen Daten im Wellenlängenbereich von 400 bis 2500 Nanometern, welcher mit kommerziell verfügbarer Technik darstellbar ist, bilden einen »Fingerprint«-Bereich und stellen einen indirekten Indikator für den Pflanzenzustand dar. Der Zusammenhang zwischen physikalischer Messung und eigentlichem Pflanzenzustand ist dabei oft nicht in der zur Verfügung stehenden Entwicklungszeit vollständig aufklärbar und insbesondere nicht geschlossen mathematisch formulierbar. Der Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens bietet hier quasi eine Abkürzung in der Sensorentwicklung, da hier die Modellierung des Zusammenhangs von Messdaten und Information durch eine Optimierung von generischen mathematischen Strukturen erfolgt, wie sie bspw. neuronale Netze darstellen. Vereinfacht ausgedrückt, lernt das System, sich an neue Aufgabenstellungen anzupassen. In Abstimmung mit dem Kunden und Partnern aus Pflanzenforschungszentren werden Kulturpflanzen im Labor, unter Feldbedingungen oder vom Flugzeug aus spektral im visuellen und infraroten Bereich des Lichtspektrums untersucht. Diese Aufnahmen werden mit Referenzwerten, die aus einer Bonitur oder aus Laboruntersuchungen stammen können, verknüpft. Im Ergebnis entstehen zuverlässige Modelle zum Einsatz in Monitoringsystemen, mit denen sich der Ernährungs- oder Gesundheitszustand automatisiert bewerten lässt.

Der Einsatz von KI-Verfahren als Teil der Sensorentwicklung stellt eine besondere Herausforderung dar. Die umfangreiche und systematische Erfassung von Messdaten ist zwingende Voraussetzung für eine Systementwicklung. Hier bewahrheitet sich das Paradigma »Daten sind der Rohstoff der Zukunft«.

Besserer Wein durch smarte Sensoren

Im Weinanbau kooperiert das Fraunhofer IFF zu diesen Themen mit verschiedenen Partnern in Deutschland und Australien: Wine Australia, eine Organisation der australischen Winzer, hat die Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) und das Fraunhofer IFF beauftragt, neue Technologien für den praktischen Einsatz im Weinbau zu entwickeln und unter Praxisbedingungen zu untersuchen. Für die großflächige Erfassung des Zustands der Weinpflanzen setzt das Fraunhofer IFF seine Hyperspektralkamerasysteme in speziellen Messflugzeugen ein und berechnet anhand der spektralen Signatur Informationen zur Versorgung der Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen.

Die Hyperspektralkamera kann unter der Tragfläche eines Kleinflugzeugs angebracht werden und beim Überflug über Felder die inneren Werte von Pflanzen analysieren. Foto: Fraunhofer IFF, Udo Seiffert


In Deutschland wurde im Projekt »BigGrape«, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), gemeinsam mit dem Julius-Kühn-Institut (JKI) für die Erfassung von Rebkrankheiten, hervorgerufen durch Virus, Pilz oder Schädlingsbefall, ein herkömmlicher Weintraubenvollernter (System Phenoliner) mit hyperspektraler Sensorik ausgestattet. Begleitend wurden Versuchspflanzen im Gewächshaus angezogen und mit einem stationären hyperspektralen System in sehr hoher Qualität erfasst. In einer umfangreichen dreijährigen Messkampagne wurde die für eine Auswertung mit künstlicher Intelligenz notwendige Datenbasis geschaffen. Im Projekt konnte die Fähigkeit der symptomatischen sowie präsymptomatischen Erkennung von Rebkrankheiten demonstriert werden. Dieses System steht nun für den praktischen Einsatz zur Verfügung.

Die beiden Projektbeispiele zeigen, dass Softsensorik basierend auf hyperspektralen Messdaten eine geeignete Basis darstellt, die aktuellen Probleme im Weinanbau zu adressieren, egal ob es um Pflanzenkrankheiten in der Pfalz oder die klimatischen Bedingungen in Südaustralien geht.

Der Einsatz spektraler Messtechnik hat für die Landwirtschaft und speziell den Weinanbau großes Potential. Er ermöglicht schnelle und zerstörungsfreie Untersuchungen im Labor, direkt auf der Anbaufläche oder auch aus großem Abstand mit entsprechend hoher Flächenleistung vom Flugzeug oder Satellit aus. Die hohe Geschwindigkeit, mit der Systeme und Ergebnisse für den Anbauer durch KI-Technologien verfügbar gemacht werden können und die Möglichkeiten, die sich aus dem flächenhaften Monitoring der Pflanzenbestände ergeben, erlauben ein teilflächenspezifisches Management der Anbauflächen.

Im Fraunhofer-Leitprojekt »Cognitive Agriculture« (kurz: »COGNAC«) for­schen acht Fraunhofer-Institute gemein­sam an Grundlagen, die Landwirt:innen in einer digitalisierten Welt hohe Produkti­vität im Einklang mit Nachhaltigkeit und Produktqualität er­möglichen.


Uwe Knauer, Udo Seiffert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Close